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pittura oscura ist ein eigenständiger Typus in Muthesius Werken, der dem Genre FOTOGRAFIE zuzuordnen ist, weil es sich bei dem künstlerischen Endprodukt um ein Foto handelt. 1992 beginnt Muthesius Technik und Begriff zu entwickeln und immer weiter auszubauen.

Während er sich intensiv mit gesellschaftlichen Phänomenen seiner Zeit auseinandersetzt und sie in historische Zusammenhänge einordnet, führt er in mehreren Arbeitsprozessen, die Genren Malerei und Fotografie zu einem neuem Ganzen zusammen. So kreiert er vielschichtig aufgebaute fotografische Bilder mit enormer Tiefenwirkung, die ungewohnte Sichtweisen offenbaren: le „pitture oscure“.

Wie immer bei Muthesius, steht ein realer Bezugspunkt Pate für die ersten Skizzen: in den meisten Fällen der Schädel eines Menschen, der im Mittelalter mutmaßlich einem Pogrom zum Opfer gefallen ist. Aus der Skizze entwickelt er mit progressiven Pinselstreichen das Ursprungsgemälde. Dies stellt er in einen öffentlichen Raum, sei es ein historisches Gebäude, ein Sakralbau oder ein sozialer Brennpunkt etwa, und fotografiert es. Automatisch entstehen Spannungsfelder, die vibrieren; überraschende Bezüge entwickeln sich.

Das so entstandene Foto wird unter dem Eindruck der im Zusammenhang mit dem gewählten Ort entstandenen Spannung erneut kraftvoll übermalt und im Anschluss fotografisch reproduziert. Ergebnis ist ein geheimnisvolles, nicht auf den ersten Blick zu durchschauendes, expressives Kunstwerk der Fotografie, auf dem es, dank seiner Mehrdimensionalität, immer Neues zu entdecken gibt.

Seine Serien heißen unter anderem X, KREUZ oder NOLI ME TANGERE.

Zitate / Kritiken

Zitate / Kritiken

zu noli me tangere! (Rühre mich nicht an!)

von Thomas Tannert, Berlin 2016

„Muthesius verwendet das Zitat „Noli me tangere“, aber er interpretiert es nicht in den bekannten Traditionslinien der Kunstgeschichte. Denken Sie nur an Bilder zum Thema von Fra Angelico, Martin Schongauer, Fra Bartolomeo, Veronese, Tizian, Correggio, Hans Holbein d.J., James Tissot, Roy de Maistre bis hin zu „La Vie“ von Picasso.

Vielmehr nimmt Muthesius das Motiv zum Anlass, um das Verhältnis von Materiellem und Geistigem, von Diesseitigem und Jenseitigem, Realem und Außerweltlichen/Virtuellen zu ergründen. Er tut das auf kraftvoll expressive Weise mit den Mitteln der bildenden Kunst im Trialog von Malerei, Aktion und Fotografie. Als These für Muthesius’ künstlerischen Ansatz und konkret projiziert auf den Wirkraum seiner Bilder zitiere ich den französischen Philosophen Jean-Luc Nancy: „Berühre mich nicht, denn ich berühre dich, und diese Berührung ist derart, dass sie dich auf Abstand hält.“ (J.-L. Nancy, Noli me tangere)

Jedes dieser fotografischen Bilder (die Muthesius in Kleinstauflagen zwischen drei und sieben Prints auflegt) enthält die Überlagerung verschiedener Zustände, eine Qualität des Sowohl-als-Auch.

Jedes Bild bezieht sich auf etwas „Höheres“, Religiöses, strebt dem Immateriellen zu, welches es zu fassen sucht, endet aber natürlich ganz im Tastbaren, Irdischen, Zeitweiligen.

Muthesius hat keine Mühe mit der Paradoxie. Seine Bilder beziehen ihre Energie aus ihr. Dass ein Bild gleichzeitig dynamischer Fluss sein kann und statischer Raum, ist für diesen Künstler nur eine von vielen Unwägbarkeiten. Widersprüchlich sind sie nur unter einem westlichen, auf ein Entweder-Oder fixierten Blick.“

Auszüge der Einführung von Christoph Tannert beim Künstlerfrühstück am 28.05.2016 in der Galerie Springer, Berlin