14. September 2017

Über sensible Antennen und politische Subtexte

Muthesius ist ein Berliner Kind. Er wuchs im Westen auf, kannte den Osten sehr gut. War häufig dort. Sein erstes Studio lag im westlichen Teil des Stadtteils Kreuzberg, Oranienstraße, einen Steinwurf von der Mauer entfernt. Er hat die Trennung, die einerseits Normalität, andererseits Brutalität war, durch konkrete Erlebnisse schmerzhaft erfahren. Hier soll nur ein Beispiel genannt werden: An einem sonnigen Tag, es war der 11. Mai 1975, fällt im Westen der in Kreuzberg aufwachsende türkische Junge Mert Cetin in die Spree, als er beim Spielen seinem davon rollenden Ball hinterher rannte. Es war sein fünfter Geburtstag. Feuerwehr und Rettung waren zeitnah am Ort. Doch sie konnten nicht helfen, weil die Erlaubnis der Grenzschützer aus dem Osten nicht kam. Der kleine Junge konnte nur noch tot geborgen werden. „Trotz wütender Proteste von Angehörigen und Passanten, die sich am Gröbenufer versammeln, wird die Leiche des kleinen Jungen nicht nach der West-Berliner Seite hin übergeben, von der aus er ins Wasser fiel, sondern ins Gerichtsmedizinische Institut der Charité nach Ost-Berlin gebracht. Erst Tage später wird der tote Junge den Eltern übergeben.“ Siehe: Chronik der Mauer, Todesopfer Mert Cetin

Dies waren in Muthesius Leben keine singulären Vorfälle. Kein Wunder also, dass er mit sensiblen Antennen durch die Welt ging und in seinen Arbeiten Politisches, zwar nie mit großer Fahne daher kommt – das ist ihm eher verdächtig -,  immer aber im Subtext zu finden ist.